Geographie
Indien ist ein Staat in Südasien, der den größten Teil des indischen
Subkontinents umfasst. Der Himalaya bildet die natürliche Nordgrenze
Indiens, im Süden umschließt der Indische Ozean das Staatsgebiet.
Indien grenzt an Pakistan, China, Nepal, Bhutan, Myanmar und
Bangladesch.
Seine Bezeichnung hat Indien von dem in Tibet entspringenden Strom
Indus, dessen Name sich von dem Sanskrit-Wort Sindhu mit der Bedeutung
"Fluss" herleitet. In Urdu heißt das Land Hind, in Hindi
Bharat; diese Bezeichnung wurde zum amtlichen Namen der Republik Indien.
Als Hindustan, "Land der Hindus", bezeichneten die
muslimischen Eroberer den Nordteil Indiens.
Indien, mit einer Fläche von 3.287.590 km² der siebtgrößte Staat der
Erde, erstreckt sich in West-Ost-Richtung vom 68. bis zum 97. östlichen
Längengrad über rund 3.000 Kilometer. Von Nord nach Süd, zwischen dem
8. und dem 37. Grad nördlicher Breite, beträgt die Ausdehnung rund
3.200 Kilometer. Indien grenzt an sechs Staaten: Pakistan (2.912
Kilometer), China (Tibet; 3.380 Kilometer), Nepal (1.690 Kilometer),
Bhutan (605 Kilometer), Myanmar (1.463 Kilometer) und Bangladesch (4.053
Kilometer). Insgesamt beträgt die Grenzlänge somit 14.103 Kilometer.
Da der nördliche Teil des umstrittenen Kaschmirs seit 1949 unter
pakistanischer Kontrolle steht, hat Indien keine gemeinsame Grenze mit
Afghanistan mehr.
Die natürliche Grenze im Norden und Nordosten bildet der Himalaya, das
höchste Gebirge der Welt, das im äußersten Nordwesten durch das
Hochtal des Indus vom Karakorum getrennt wird. Südlich an den Himalaya
schließen sich die breiten, fruchtbaren Stromebenen der Flüsse Ganges
und Brahmaputra an. Den Nordosten Indiens, einschließlich der
Brahmaputra-Ebene, verbindet nur ein schmaler Korridor zwischen
Bangladesch und Nepal bzw. Bhutan mit dem Rest des Landes. Die
Nordostregion wird durch das bis zu 3.800 Meter hohe Patkai- oder
Purvachalgebirge von Myanmar sowie das knapp 2.000 Meter hohe
Khasigebirge von Bangladesch abgeschirmt.
Im Westen geht das Stromland des Ganges in die Wüste Thar über, die im
Osten und Süden vom Aravalligebirge begrenzt wird. Südlich davon
liegen die Sümpfe des Rann von Kutch sowie die Halbinsel Kathiawar.
Das Hochland von Dekkan nimmt den größten Teil der keilförmig in den
Indischen Ozean vorragenden indischen Halbinsel ein. Das Vindhya- und
das Satpuragebirge schirmen den Dekkan von der Gangesebene im Norden ab.
Im Westen wird er von den bis zu 2.700 Meter hohen Westghats, im Osten
von den flacheren Ostghats begrenzt. Beide Gebirgszüge treffen im
Süden, wo die Halbinsel spitz zum Kap Komorin zuläuft, zusammen. Die
Westghats fallen steil zur Konkan- und Malabarküste entlang des
Arabischen Meeres ab. Die Ostghats gehen in die breiteren östlichen
Küstenebenen am Golf von Bengalen über.
Zu Indien gehören außerdem drei dem Indischen Subkontinent
vorgelagerte Inselgruppen. Rund 300 Kilometer westlich der Malabarküste
liegen die Korallenatolle von Lakshadweep, das die Inselgruppen der
Lakkadiven und Amindiven sowie die Insel Minicoy umfasst. Südöstlich
der Halbinsel, zwischen 1.000 und 1.600 Kilometer vom indischen Festland
entfernt, erstrecken sich die Andamanen und Nikobaren.
Der höchste Punkt Indiens ist der Berg Kanchenjunga mit 8.598 Metern
Höhe, der sich im äußersten Westen Sikkims in unmittelbarer
Grenznähe zu Nepal erhebt. Der höchste vollständig auf indischem
Gebiet liegende Berg ist die Nanda Devi mit 7.822 Metern. Der tiefste
Punkt ist die zwei Meter unter dem Meeresspiegel gelegene Kuttanad-Senke
an der Malabarküste.
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Naturkatastrophen
Indien wird immer wieder von verschiedenen Naturkatastrophen
heimgesucht, besonders Überschwemmungen, die während des Sommermonsuns
durch extreme Niederschlagsmengen im ganzen Land auftreten können.
Während der trockenen Jahreszeit oder bei Ausbleiben der
Monsunregenfälle kommt es dagegen häufig zu Dürren. Zyklone und
dadurch bedingte Flutwellen an der Ostküste kosten oft viele
Menschenleben und richten verheerende Schäden an. In einigen Gebieten
besteht auch erhöhte Erdbebengefahr, betroffen sind vor allem der
Himalaya, die Nordoststaaten, Westgujarat und die Region um Mumbai. Im
Dezember 2004 verursachte ein Seebeben im Indischen Ozean einen
verheerenden Tsunami, der an der Ostküste und auf den Andamanen und
Nikobaren 7.793 Menschenleben forderte und schwerste Verwüstungen
anrichtete.
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Klima
Ausbreitung und Rückzug des indischen Sommermonsuns
Mit Ausnahme der Bergregionen ist Indiens Klima vornehmlich tropisch,
wobei Nord- und Zentralindien kontinentaler geprägt sind als der
maritime Süden. So treten im Norden im Jahresverlauf teils erhebliche
Temperaturschwankungen auf. Während in den nördlichen Tiefebenen im
Dezember und Januar nur 10 bis 15 Grad Celsius herrschen, sind in der
heißesten Zeit zwischen April und Juni Höchsttemperaturen von 40 bis
über 50 Grad Celsius möglich. Im Süden ist es dagegen ganzjährig
heiß, aber konstanter.
Die Niederschlagsverhältnisse werden im ganzen Land maßgeblich vom
Indischen Monsun beeinflusst. Der Südwest- oder Sommermonsun setzt in
den meisten Landesteilen im Juni ein und bringt je nach Region bis
September oder Oktober ergiebige Niederschläge. Auf Grund der sehr
unterschiedlichen Topographie ist die Niederschlagsverteilung allerdings
höchst ungleichmäßig. Die stärksten Regengüsse gehen an der
Westküste, in den Westghats, an den Hängen des Himalayas und in
Nordostindien nieder. Am trockensten ist es dagegen in der Thar. Die aus
Zentralasien kommenden Nordost- oder Wintermonsunwinde zwischen Oktober
und Juni bringen kaum Feuchtigkeit, daher entfallen in den meisten
Gegenden 80 bis über 90 Prozent der jährlichen
Gesamtniederschlagsmenge auf die Sommermonate. Lediglich der Südosten
erhält auch während des Nordostmonsuns Regen, da die Luftströmungen
über dem Golf von Bengalen Feuchtigkeit aufnehmen.
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Europäische Kolonialherrschaft und
Unabhängigkeitsbewegung
Europäische Mächte, zunächst Portugal, begannen ab 1505 kleinere
Küstenstützpunkte zu erobern (vgl. Portugiesisch-Indien). Von 1756 an
unterwarf die britische Ostindien-Kompanie (British East India Company)
von ihren Hafenstützpunkten Kalkutta, Madras und Bombay aus weite Teile
Indiens. Der vorher bestehende Einfluss der europäischen
Kolonialmächte Portugal, Niederlande und Frankreich wurde von ihr
weitgehend beseitigt. Loyale Fürsten behielten Staaten mit begrenzter
Souveränität wie Hyderabad, Bhopal, Mysore oder Kaschmir. 1857/58
erhoben sich Teile der Bevölkerung Nordindiens im Sepoy-Aufstand gegen
die Herrschaft der Ostindien-Kompanie. Nach der Niederwerfung des
Aufstandes wurde diese aufgelöst und Indien der direkten Kontrolle
durch Großbritannien unterstellt. Die britischen Monarchen trugen ab
1877 den Titel "Kaiser(in) von Indien".
1885 wurde in Bombay die Kongresspartei (Indian National Congress)
gegründet. Sie forderte zunächst nicht die Unabhängigkeit Indiens,
sondern lediglich mehr politische Mitspracherechte für die einheimische
Bevölkerung. Ihre Mitglieder waren vorwiegend Hindus und Parsen. Die
muslimische Oberschicht blieb auf Abstand. Deren Wortführer Sayyid
Ahmad Khan befürchtete, dass sie durch Einführung des
Mehrheitsprinzips aus der Verwaltung gedrängt würden. Stattdessen
wurde 1906 die Muslimliga als Interessenvertretung der Muslime
gegründet.
Im Ersten Weltkrieg verhielt sich die große Mehrheit
der Bevölkerung loyal. Aus Verärgerung darüber, dass die Briten an
der Aufteilung des Osmanischen Reiches beteiligt waren, schlossen sich
nun auch viele Muslime der Unabhängigkeitsbewegung an. Der gewaltfreie
Widerstand gegen die britische Kolonialherrschaft, vor allem unter
Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru, führte 1947 zur Unabhängigkeit.
Gleichzeitig verfügte die Kolonialmacht die Teilung der fast den
gesamten indischen Subkontinent umfassenden Kolonie Britisch-Indien in
zwei Staaten, die säkulare Indische Union sowie die kleinere Islamische
Republik Pakistan. Die Briten erfüllten damit die seit den 1930er
Jahren lauter werdenden Forderungen der Muslimliga und ihres Führers
Ali Jinnah nach einem eigenen Nationalstaat mit muslimischer
Bevölkerungsmehrheit.
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Entwicklungen seit der Unabhängigkeit
Die Teilung führte zur größten Vertreibungs- und Fluchtbewegung
der Geschichte. Ungefähr 10 Millionen Hindus und Sikhs wurden aus
Pakistan vertrieben, etwa 7 Millionen Muslime aus Indien. 750.000 bis
eine Million Menschen kamen ums Leben. Die Vertreibung nahezu aller
Hindus und Sikhs aus dem Gebiet des damaligen West- und Ostpakistan
(heute Pakistan und Bangladesch) und der Vertreibung vieler Muslime aus
Indien gilt als Beispiel für eine sogenannte ethnische Säuberung ohne
unmittelbare Verursachung durch einen Krieg.
Die durch Schutzverträge an die Briten gebundenen Fürstenstaaten
hatten schon vor der Unabhängigkeit ihren Beitritt zur Indischen Union
erklärt. Lediglich zwei standen dem Eingliederungsprozess der
Fürstentümer ernsthaft im Weg. Der muslimische Herrscher des fast
ausschließlich hinduistischen Hyderabad wurde durch einen Einmarsch
indischer Truppen zu Fall gebracht. In Kaschmir verzögerte der Maharaja,
selbst Hindu bei überwiegend moslemischer Bevölkerung, seine
Entscheidung. Nachdem muslimische Kämpfer in sein Land eingedrungen
waren, entschied er sich schließlich doch zum Beitritt zu Indien,
welches daraufhin den größten Teil des ehemaligen Fürstentums
besetzte. Pakistan betrachtete den Beitritt als unrechtmäßig, was zum
Ersten Indisch-Pakistanischen Krieg um Kaschmir (1947 bis 1949) führte.
Seitdem schwelt in der Grenzregion der Kaschmir-Konflikt, der 1965 auch
den Zweiten Indisch-Pakistanischen Krieg und 1999 den Kargil-Krieg zur
Folge hatte.
Grenzstreitigkeiten führten 1962 zu einem kurzen Krieg mit der
Volksrepublik China.
Die indische Unterstützung einer Unabhängigkeitsbewegung im damaligen
Ost-Pakistan führte 1971 zu einem dritten Krieg Indiens gegen Pakistan
mit folgender Teilung Pakistans und Gründung des neuen, ebenfalls
islamisch geprägten Staates Bangladesch.
Innenpolitisch bestimmte unter Jawaharlal Nehru, Premierminister 1947
bis 1964, und danach noch bis Anfang der 1970er Jahre die Kongresspartei
überlegen die junge, unabhängige Demokratie. Oppositionsparteien
konnten bestenfalls auf Bundesstaaten- oder kommunaler Ebene ihren
Einfluss geltend machen. Erst als Nehrus Tochter Indira Gandhi, die 1966
Premierministerin wurde, die Partei zentralisierte und ihre eigene
Machtposition auszubauen versuchte, gelang es der Opposition, sich auf
Bundesebene zu formieren. Ein Gericht in Allahabad befand Indira 1975
einiger Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen des Jahres 1971 für
schuldig. Anstatt den Rücktrittsforderungen ihrer politischen Gegner zu
folgen, rief sie den Notstand aus und regierte bis 1977 per Dekret.
Demokratische Grundrechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit waren
stark eingeschränkt. Die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung
mit dem de facto diktatorischen Regime äußerte sich 1977 in einer
deutlichen Wahlniederlage Indira Gandhis. Zwischen 1977 und 1980 stellte
daher erstmals nicht die Kongresspartei, sondern eine linksgerichtete
Koalition unter Führung der Janata Party die Regierung Indiens.
In den Wahlen von 1980 gelang es Indira Gandhi, an die Macht
zurückzukehren. In ihre zweite Amtsperiode fällt die Zuspitzung des
Konflikts im Punjab, wo sikhistische Separatisten einen eigenen Staat
forderten. Als sich militante Sikhs im Goldenen Tempel in Amritsar
verschanzten, ordnete Indira Gandhi 1984 die Operation Blue Star an.
Indische Truppen stürmten den Tempel und beendeten dessen Besetzung.
Daraufhin kam es zu blutigen Ausschreitungen, die in der Ermordung
Indira Gandhis durch ihre Sikh-Leibwächtern gipfelten. Ihr Sohn Rajiv
Gandhi übernahm die Regierungsgeschäfte, war aber nicht in der Lage,
die von ihm geplanten Reformvorhaben wirkungsvoll umzusetzen. Ein
Bestechungsskandal im Zusammenhang mit dem schwedischen Rüstungskonzern
Bofors schädigte sein Ansehen schließlich dermaßen, dass die
Opposition 1989 einen klaren Sieg über Gandhis Kongresspartei erringen
konnte. Nach zweijähriger Unterbrechung gelangte sie von 1991 bis 1996
jedoch erneut an die Macht. Die Regierung von P. V. Narasimha Rao
leitete die wirtschaftliche Öffnung und außenpolitische
Neuorientierung des seit Nehru sozialistisch ausgerichteten Landes ein.
Zum Reformprogramm gehörten unter anderem die Privatisierung von
Staatsbetrieben, die Aufhebung von Handelsbeschränkungen, die
Beseitigung bürokratischer Investitionshemmnisse und Steuersenkungen.
Die Wirtschaftsreformen wurden von späteren Regierungen fortgeführt.
Seit den 1980er Jahren verzeichnet der Hindu-Nationalismus einen
deutlichen Aufschwung. Die Auseinandersetzung um eine anstelle eines
bedeutenden Hindutempels errichtete Moschee in Ayodhya (Uttar Pradesh)
entwickelte sich zu einer der bestimmenden innenpolitischen
Streitfragen. 1992 zerstörten hinduistische Extremisten das muslimische
Gotteshaus, was zu schweren Ausschreitungen in weiten Teilen des Landes
führte. Der politische Arm der Hindu-Nationalisten, die Bharatiya
Janata Party (BJP), führte zwischen 1998 und 2004 eine
Regierungskoalition an und stellte mit Atal Bihari Vajpayee den
Regierungschef. 2004 unterlag sie jedoch überraschend der neu
aufgestellten Kongresspartei unter Sonia Gandhi. Die Witwe des 1991
während des Wahlkampfes ermordeten Rajiv Gandhi verzichtete nach
Protesten der Opposition wegen ihrer italienischen Abstammung auf das
Amt als Premierministerin. Stattdessen übernahm Manmohan Singh diese
Stellung, der als Finanzminister unter Rao die wirtschaftliche
Liberalisierung Indiens wesentlich mitgestaltet hatte.
Heute sind die fundamentalen Probleme Indiens trotz des deutlichen
wirtschaftlichen Aufschwungs noch immer die ausgedehnte Armut als auch
die starke Überbevölkerung, die zunehmende Umweltverschmutzung sowie
ethnische und religiöse Konflikte zwischen Hindus und Moslems. Dazu
tritt der fortdauernde Streit mit Pakistan um die Region Kaschmir.
Besondere Brisanz erhält der indisch-pakistanische Gegensatz durch die
Tatsache, dass beide Staaten Atommächte sind. Indien hatte 1974
erstmals einen Atomtest durchgeführt. Auf weitere Kernwaffenversuche im
Jahre 1998 reagierte Pakistan mit eigenen Atomtests.
Ethnische Zusammensetzung und Konflikte
Indien ist ein Vielvölkerstaat, dessen ethnische Vielfalt ohne weiteres
mit der des gesamten europäischen Kontinents vergleichbar ist. Etwa 72
Prozent der Bevölkerung sind Indoarier. 25 Prozent sind Draviden, die
hauptsächlich im Süden Indiens leben. Drei Prozent entfallen auf
sonstige Völkergruppen, vor allem tibeto-birmanische, Munda- und
Mon-Khmer-Völker im Himalayaraum sowie Nordost- und Ostindien.
8,2 Prozent der Einwohner gehören der indigenen Stammesbevölkerung an,
die sich selbst als Adivasi bezeichnet, obwohl sie ethnisch höchst
uneinheitlich ist. Die indische Verfassung erkennt mehr als 600 Stämme
als sogenannte scheduled tribes an. Sie stehen meist außerhalb des
hinduistischen Kastensystems und sind trotz bestehender Schutzgesetze
sozial stark benachteiligt. Hohe Bevölkerungsanteile haben die Adivasi
in der Nordostregion (besonders in Mizoram, Nagaland, Meghalaya,
Arunachal Pradesh, Manipur, Tripura, Sikkim) sowie in den ost- und
zentralindischen Bundesstaaten Jharkhand, Chhattisgarh, Orissa und
Madhya Pradesh. Auf Grund der sozialen Diskriminierung genießen
linksradikale Gruppierungen wie die maoistischen Naxaliten bei Teilen
der Adivasi starken Rückhalt. Dazu kommen separatistische Bewegungen
verschiedener Völker - etwa der mongoliden Naga, Mizo und Bodo, aber
auch der indoarischen Assamesen - in Nordostindien, wo Spannungen
zwischen der einheimischen Bevölkerung und zugewanderten Bengalen,
größtenteils illegale Einwanderer aus Bangladesch, für zusätzliches
Konfliktpotenzial sorgen.
Die Zahl der illegal eingewanderten Bangladescher in Indien wird auf bis
zu 20 Millionen geschätzt. Die rund 100.000 in Indien lebenden
Exiltibeter, die seit der chinesischen Besetzung Tibets in den 1950er
Jahren aus ihrer Heimat geflohen sind, werden dagegen offiziell als
Flüchtlinge anerkannt und besitzen eine Aufenthaltsgenehmigung. Des
Weiteren leben etwa 60.000 tamilische Flüchtlinge aus Sri Lanka auf
indischem Gebiet.
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Soziale Probleme
Nach Angaben der Weltbank haben heute 44 Prozent der Einwohner
Indiens weniger als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Auch wenn
die Ernährungssituation seit den 1970er Jahren entscheidend verbessert
werden konnte, ist noch immer mehr als ein Viertel der Bevölkerung zu
arm, um sich eine ausreichende Ernährung leisten zu können. Unter- und
Fehlernährung (z.B. Vitaminmangel) ist vornehmlich in ländlichen
Gebieten ein weit verbreitetes Problem, wo der Anteil der Armen
besonders hoch ist. So wird etwa Kinderarbeit hauptsächlich auf dem
Land geleistet, da das Einkommen vieler Bauernfamilien nicht zum
Überleben ausreicht. Hoch verschuldete Bauern müssen oft nicht nur ihr
Ackerland verkaufen, sondern auch ihre Dienstleistungen an die
Grundherren verpfänden. Dieses als Schuldknechtschaft bezeichnete
Phänomen stellt bis heute eines der größten Hindernisse in der
Armutsbekämpfung dar. Die schlechten Lebensbedingungen im ländlichen
Raum veranlassen viele Menschen zur Abwanderung in die Städte
(Landflucht). Dabei sind die wuchernden Metropolen des Landes kaum in
der Lage, ausreichend Arbeitsplätze für die Zuwanderer zur Verfügung
zu stellen. Das Ergebnis sind hohe Arbeitslosigkeit und
Unterbeschäftigung. Fast ein Drittel der Einwohner der Millionenstädte
lebt in Elendsvierteln. Dharavi in Mumbai ist mit mehr als einer Million
Menschen der größte Slum Asiens.
Ungefähr 16,2 Prozent der indischen Bevölkerung werden zu den so
genannten Unberührbaren (scheduled castes) gerechnet, 8,2 Prozent
zählen zur indischen Stammesbevölkerung (Adivasi, offiziell scheduled
tribes). Da beide Gruppen starker sozialer Benachteiligung ausgesetzt
sind, sieht die indische Verfassung ihre Förderung in Form von Quoten
vor. Über diese "positive Diskriminierung" werden in
Universitäten, berufsbildenden Institutionen und Parlamenten bis zu 50
Prozent der Plätze für die scheduled castes (Angehörige der unteren
Kasten) reserviert. Die Kastenfrage nimmt in der indischen Innenpolitik
eine höchst brisante Stellung ein. Eine Ausweitung der Quoten auf
niedere Kasten auf Vorschlag der umstrittenen Mandal-Kommission rief
1990 heftige Proteste von Angehörigen höherer Kasten hervor und
führte zum Sturz von Premierminister Vishwanath Pratap Singh.
Frauen sind in der patriarchalisch geprägten indischen Gesellschaft
trotz der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau nach wie vor
benachteiligt. Traditionell wurde Frauen zur Hochzeit eine Mitgift zum
Aufbau eines eigenen Haushalts mitgegeben. Heute werden Brautgelder,
obwohl sie seit Jahrzehnten gesetzlich untersagt sind, aus rein
wirtschaftlichen Erwägungen von den Eltern des Bräutigams verlangt. In
manchen Fällen übersteigen sie das Jahreseinkommen der Familie der
Braut. Gelegentlich kommt es zu so genannten "Mitgiftmorden",
da die Angehörigen der Braut nicht in der Lage sind, die hohen
Forderungen zu erfüllen. Die Mitgiftproblematik trägt in nicht
unerheblichem Maße dazu bei, dass Mädchen meist geringer angesehen
sind als Jungen oder gar als unerwünscht gelten. Tatsächlich werden
weit mehr weibliche Föten abgetrieben als männliche.
Unzureichende Beratung in Fragen der reproduktiven Gesundheit hat zur
Folge, dass die Zahl der HIV-Infizierten rapide steigt (derzeit 3,73
Fälle pro 1.000 Einwohner). Nach Schätzungen der Vereinten Nationen
könnten bis 2010 allein in Indien über zehn Millionen Menschen an der
Immunschwächekrankheit leiden.
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Religionen
In Indien entstanden vier der großen Religionen: Hinduismus,
Buddhismus, Jainismus und Sikhismus. Der Islam kam infolge von
Eroberungen, das Christentum durch frühe Missionierung im ersten
Jahrhundert und dann durch den Kolonialismus, der Parsismus (Zoroastrismus)
aufgrund von Einwanderungen ins Land. Indien bietet also eine
außerordentlich reichhaltige Religionslandschaft. Obwohl der Buddhismus
über Jahrhunderte die bevorzugte Religion war, starb der Hinduismus nie
aus und konnte seine Stellung als dominierende Religion langfristig
behaupten. Im Mittelalter brachten indische Händler und Seefahrer den
Hinduismus bis nach Indonesien und Malaysia. Obwohl Indien bis heute ein
hinduistisch geprägtes Land ist, hat Indien nach Indonesien und
Pakistan die weltweit drittgrößte muslimische Bevölkerung (etwa 140
Millionen), und nach dem Iran die zweitgrößte Anzahl von Schiiten.
Die Religionen verteilen sich wie folgt: 80,5 % Hindus, 13,4 % Moslems
(hauptsächlich Sunniten), 2,3 % Christen, 1,9 % Sikhs, 0,8 %
Buddhisten, 0,4 % Jainas und 0,6 % andere: (z. B. Adivasi, Baha'i,
Parsen) (Quelle: Census of India 2001)
Die Wurzeln des Hinduismus liegen im Veda (wörtl.: Wissen), religiösen
Texten, deren älteste Schicht auf etwa 1200 v. Chr. datiert wird. Die
Bezeichnung "Hinduismus" wurde jedoch erst im 19. Jahrhundert
allgemein üblich. Er verbindet viele Strömungen mit ähnlicher
Glaubensgrundlage und Geschichte, die besonders bei den Lehren von
Karma, dem Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) und dem Streben nach
Erlösung übereinstimmen. Er kennt keinen Religionsstifter, kein
einheitliches Glaubensbekenntnis und keine religiöse Zentralbehörde.
Die wichtigsten populären Richtungen sind der Shivaismus und der
Vishnuismus. Religiöse Lehrer (Gurus) und Priester haben einen großen
Stellenwert für den persönlichen Glauben.
Die Adivasi (Ureinwohner) widersetzten sich oft den Missionsversuchen
der großen Religionen und behielten teilweise ihre eigene Religion. Die
indigenen Völker Indiens haben einiges mit dem Hinduismus gemeinsam, so
etwa den Glauben an die Reinkarnation, eine äußere Vielfalt von
Göttern und eine Art von Kastenwesen. Nicht selten werden lokale
Gottheiten oder Stammesgottheiten einfach in das hinduistische Pantheon
integriert - eine Herangehensweise, die historisch zur Ausbreitung des
Hinduismus beigetragen hat. Besonders heute besteht eine starke Tendenz
der "Hinduisierung", gesellschaftliche Sitten der Hindus und
deren Formen der Religionsausübung werden übernommen.
Der Buddhismus ist heute vor allem als "Neobuddhismus" bei den
unberührbaren Kasten populär, die auf diese Art und Weise versuchen,
den Diskriminierungen des Kastensystems zu entkommen. Ins Leben gerufen
wurde diese Bewegung durch den Rechtsanwalt Bhimrao Ramji Ambedkar
(1891-1956), der selbst einer unberührbaren Kaste angehörte. Hinzu
kommen die traditionell buddhistischen Gegenden wie Ladakh.
Die Parsen, die heute hauptsächlich in Mumbai leben, bilden eine
kleine, überwiegend wohlhabende und einflussreiche Gemeinschaft (ca.
70.000 Menschen). Nicht zuletzt auch durch ihr ausgeprägtes soziales
Engagement spielen sie trotz geringer Bevölkerungsanzahl in der
indischen Gesellschaft eine wichtige Rolle. In Europa sind sie durch
ihre Bestattungsgepflogenheiten ("Türme des Schweigens")
bekannt. Auch die Jainas sind oft wohlhabend, da sie aufgrund ihres
Glaubens, der das Töten von Lebewesen verbietet, überwiegend Kaufleute
und Händler sind. Parsen und Jainas gehören meist der Mittel- und
Oberschicht an.
Die Mehrheit der indischen Muslime gehört der sunnitischen Richtung an,
außerdem leben mehr als 20 Millionen Schiiten in Indien. Darüber
hinaus existieren kleinere Glaubensrichtungen innerhalb des Islam: Eher
fundamentalistisch ist die Deobandi-Schule in Deoband im nördlichen
Bundesstaat Uttar Pradesh, auf die sich unter anderem die afghanischen
Taliban berufen, wenn auch in radikal verkürzter Interpretation. Die
Situation der Muslime in Indien ist schwierig. Sie sind ärmer und
weniger gebildet als der Durchschnitt. In Politik und Staatsdienst sind
sie unterrepräsentiert. Zu bemerken ist jedoch, dass der derzeitige
Staatspräsident Indiens, Abdul Kalam, ein Muslim ist.
Die Sikhs sind hauptsächlich im Nordwesten Indiens (Punjab) beheimatet.
Ihre Stellung in der Gesellschaft ist geprägt durch den Erfolg vor
allem im militärischen Bereich, aber auch im politischen Leben. Der
derzeitige indische Premierminister, Manmohan Singh, ist ein Sikh.
53 n. Chr. soll ein Apostel Jesu, Thomas, nach Indien gekommen sein und
dort entlang der südlichen Malabarküste mehrere christliche Gemeinden
gegründet haben. Diese sogenannten "Thomaschristen" sind noch
heute etwa im Bundesstaat Kerala zu finden und machen einen erheblichen
Prozentsatz der dortigen Bevölkerung aus. Die indische christliche
Kirche ist somit älter als die europäische. Portugiesische Missionare
führten im späten 15. Jahrhundert den römischen Katholizismus ein und
verbreiteten ihn entlang der Westküste, etwa in Goa, so dass römische
Katholiken heute den größten Anteil an der christlichen Bevölkerung
Indiens stellen. Die Briten zeigten zwar wenig Interesse an der
Missionierung, dennoch konvertierten viele Stammesvölker im Nordosten
(Nagaland, Mizoram, Meghalaya, Manipur, Arunachal Pradesh) zur
Anglikanischen Kirche oder anderen evangelischen Konfessionen. In
jüngerer Zeit traten auch Angehörige unberührbarer Kasten sowie
Adivasi zum Christentum über, um der Ungerechtigkeit des Kastensystems
zu entkommen.
Als Indien seine Unabhängigkeit erlangte, lebten auch noch rund 25.000
Juden in Indien. Nach 1948 verließen jedoch die meisten von ihnen ihre
Heimat gen Israel. Heute wird die Zahl der in Indien verbliebenen Juden
auf 5.000 bis 6.000 geschätzt, wovon die Mehrheit in Mumbai lebt.
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Religiöse Konflikte
Der Laizismus, die Trennung von Staat und Religion, zählt zu den
wesentlichsten Grundsätzen des indischen Staates und ist in seiner
Verfassung verankert. Seit Jahrhunderten bestehen verschiedene
Glaubensrichtungen zumeist friedlich nebeneinander. Dennoch kommt es
zeitweise immer wieder zu regional begrenzten religiös motivierten
Auseinandersetzungen.
Ein seit der Gründung Indiens schwelendes Problem ist der
Hindu-Moslem-Konflikt. Bereits bei der Teilung Indiens 1947 und beim
Bangladesch-Krieg 1971 kam es zu massiven Ausschreitungen. Unruhen
zwischen Anhängern der beiden Glaubensrichtungen brechen in Indien in
gewissen Zeitabständen immer wieder aus. Geschürt werden sie seit den
späten 1980er Jahren durch den aufkeimenden Hindu-Nationalismus (Hindutva).
Einer der Höhepunkte der Auseinandersetzungen war die Erstürmung und
Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya (Uttar Pradesh) durch
extremistische Hindus im Dezember 1992, da das islamische Gotteshaus
einst an der Stelle eines bedeutenden Hindu-Tempels errichtet worden
war, welcher den Geburtsort Ramas markieren sollte. Die letzten Unruhen
traten 2002 in Gujarat auf, als 59 Hindu-Aktivisten (kar sevaks) in
einem Zug verbrannt wurden. Infolge der eskalierenden Gewalt kamen etwa
2.000 Menschen um, hauptsächlich Moslems. Die politische Situation in
Kaschmir kostete seit 1989 aufgrund der Aktivitäten islamistischer
Terroristen über 29.000 Zivilpersonen das Leben. Auch den indischen
Sicherheitskräften werden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in
Kaschmir vorgeworfen.
Auch bei anderen Religionen traten Konflikte auf. Die Forderungen
sikhistischer Separatisten nach einem unabhängigen Sikhstaat namens
"Khalistan" gipfelten 1984 in der Erstürmung des Goldenen
Tempels in Amritsar durch indische Truppen (Operation Blue Star) und der
Ermordung der damaligen Premierministerin Indira Gandhi durch ihre
eigenen Sikh-Leibwächter. Insgesamt kamen bei den Unruhen im Jahre 1984
mehr als 3.000 Sikhs ums Leben.
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Bildungswesen
In Indien besteht allgemeine Schulpflicht bei einem Lebensalter von 6
bis 14 Jahren. Während dieses Zeitraumes ist der Besuch öffentlicher
Schulen kostenlos. Das Schulsystem umfasst vier Hauptstufen: auf die
fünfjährige Grundschule folgt die Mittelschule von der sechsten bis
achten Klasse, darüber die höheren Schulen und schließlich die
Hochschulen sowie Universitäten. Allgemein hat der Staat in der
Vergangenheit besonderes Augenmerk auf die Förderung von höheren
Bildungseinrichtungen gelegt, was den aus der Kolonialzeit herrührenden
elitären Charakter des Bildungswesens eher noch verstärkt hat. Dennoch
ziehen viele Angehörige der Mittel- und Oberschicht gerade bei der
höheren Bildung private Einrichtungen den staatlichen vor.
Heute werden zwar fast alle Kinder - zumindest Jungen - tatsächlich
eingeschult, in den höheren Klassenstufen wird die Zahl der Abbrecher
aber immer höher. Vor allem im ländlichen Raum erhalten daher viele
Kinder nur eine äußerst rudimentäre Grundbildung. Weiterführende
Schulen und höhere Bildungseinrichtungen stehen dagegen meist nur in
Städten zur Verfügung. Immerhin konnten seit der Unabhängigkeit
große Fortschritte bei der Alphabetisierung erzielt werden. 2001 lag
die Alphabetisierungsrate im Landesdurchschnitt bei 64,8 Prozent
(Männer: 75,3 Prozent, Frauen: 53,7 Prozent). 1991 hatte sie noch 52,2
Prozent betragen, 1951 sogar nur 18,3 Prozent.
Da das Bildungswesen größtenteils den Bundesstaaten obliegt, weist es
dementsprechend große regionale Unterschiede auf. Dies äußert sich am
deutlichsten in der sehr ungleichen Analphabetenrate. Während sie in
Kerala, dem Staat mit der höchsten Alphabetisierungsrate, 2001 nur 9,1
Prozent betrug, war sie im finanziell ärmsten Staat Bihar mit 53,0
Prozent fast sechsmal so hoch. Ein weiteres Problem ist die
Benachteiligung von Mädchen, deren Einschulungsrate geringer ist als
die von Jungen. An höheren Bildungseinrichtungen liegt der Frauenanteil
in der Regel deutlich unter dem der Männer. Ein großer Schwachpunkt
ist auch das bisher wenig entwickelte Berufsschulwesen.
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